Tag 21

Zum Glück wache ich kurz vor 6 Uhr – noch rechtzeitig – im Hotel auf. Wir hatten gestern Abend vergessen, uns den Wecker zu stellen. Schnell unsere Sachen zusammengepackt, ausgecheckt, und gefrühstückt. Gegen 7.30 Uhr fahren wir los.

Nach Petra sind es rund 300 Kilometer. Um 11 Uhr sind wir dort und suchen einen Parkplatz. Kaum stehen wir, werden wir von einigen wenigen einheimischen Männern lästig befragt: Do you have something for my children, for my wife, for my family? Von OK-Chef Wilfried wurden wir eindrücklich davor gewarnt, irgendetwas zu verkaufen. Das OK würde Ärger bekommen, wenn wir uns nicht daran halten. Solchermaßen vorgewarnt, nehmen wir vorsichtshalber alle möglichen Wertsachen mit uns.

Wir erhalten eine Führung auf Englisch. Unser Führer entpuppt sich als kleiner Komiker. So ist es für uns ein sehr kurzweiliger, strammer Marsch durch die Altertümer. Für eine Gruppe Amerikaner benötigt er zwei Stunden, für Deutsche etwa die Hälfte, sagt uns der Tourenleiter. Der Grund: „Die Deutschen sind Maschinen.“ Soso, denken wir. Wenn er da mal nicht irrt. Aber er muss es ja wissen. 

Die verlassene Felsenstadt Petra war in der Antike die Hauptstadt des Reiches der Nabatäer. Man nimmt an, dass die Stadt in ihrer Blütezeit etwa 8 vor Christus bis 40 nach Christus 30.000 bis 40.000 Einwohner zählte. Wegen ihrer Grabtempel, deren Monumentalfassaden direkt aus dem Fels gemeißelt wurden, gilt sie als einzigartiges Kulturdenkmal. Vor gut 30 Jahren wurde Petra in die Liste des Unesco-Welterbes aufgenommen.

Auf dem Weg überholen uns galoppierende Pferde, auf denen Touristen sitzen, und auch von Pferden gezogene Einspänner sowie kleine Esel. Wir sehen den teilweise erbärmlichen Zustand der Gäule. Sie tun uns leid. Aber wenn die Nachfrage nicht bestünde, müssten hier nicht so viele Rösser ihren Dienst verrichten.

Der Hauptzugang nach Petra seit der Antike ist der Siq. Das ist eine spektakuläre, 1200 Meter lange, tiefe und enge Schlucht von atemberaubender Schönheit. Rechts und links türmen sich die Felsen bis zu 80 Meter hoch.

Am Ende der Schlucht gibt ein schmaler Spalt den Blick frei auf die legendäre Schatzkammer des Pharao, das Wahrzeichen von Petra. Ein imposanter Anblick. Auf dem kleinen Platz ein paar Kamele… ein Bild wie auf typischen Postkarten. Im weiteren Verlauf sehen wir eine Kamelkarawane aus Sandstein, verschiedenste Grabstätten, darunter den Tomb of Soldier, sowie den Gartentempel und den Löwenbrunnen.

Die Sonne brennt gnadenlos vom Himmel. Felsen und Sand strahlen die Hitze ab. Die Felsformationen und die in Sandstein gemeißelten Monumente und Portale beeindrucken uns sehr. Immer wieder sehen wir Ziegen, die jeden Felsvorsprung nutzen, um sich auszuruhen. Der Sandstein zeigt sich in den verschiedensten Farben: gelb, rot, grün, schwarz. Dann geht’s treppauf, treppab, Felsen hoch, Felsen runter – bei Temperaturen, die um die 40 Grad liegen. Unser Wasservorrat ist bald aufgebraucht. Wie farbenfroh die Wüste sein kann, entdeckt Sigrid: Ihr läuft eine blaue Eidechse vor die Linse.

Gegen 17 Uhr nähern wir uns wieder dem Parkplatz. Wir befürchten das Schlimmste. Aber unsere Autos sind unversehrt. Fast. Bei unserem Merkur fehlt die CB-Funk-Antenne mit dem Magnetfuß. Das Kabel ist glatt durchtrennt. Bei Jupiter muss jemand an der Dachbox dran gewesen sein, die Schlösser sind geöffnet. Ein anderes Rallye-Team ist schlimmer dran. Da wurden an allen drei Fahrzeugen die Dachboxen geöffnet. Es fehlen Zelte und Matratzen, Decken, Kochgeschirr und Schlafsäcke. Dagegen ist der Versuch eines Einheimischen, bei unserer Ankunft vor sechs Stunden eine nicht vorgeschriebene Parkgebühr in Höhe von fünf Dinar (6,50 Euro) zu verlangen, fast ein Lausbubenstreich. Wie wir später hören, gab es auch absichtliche Parkplatzrempler mit anschließender Geldforderung. Ein Wermutstropfen.

 

Von Petra aus fahren wir gegen 17.30 Uhr direkt nach Wadi Rum. Etwa 100 Kilometer Strecke liegen vor uns. Die müssten in zwei Stunden zu schaffen sein, damit wir den Sonnenuntergang in der Wüste erleben können.

Rechts geht es ab von der Straße auf eine Sandstraße, die zum Camp führt. Schöne Lichterformationen sind in den hohen Felsen rechts und links zu sehen. Dicht an dicht stehen die Fahrzeuge vor dem Eingang des Camps. Ein Passat des „grünen Teams“ hat sich im Sand festgefahren. Ein Geländewagen eines anderen Teams kommt zur Hilfe, zieht kurz, einige Rallyefahrer schieben, und schon kann sich der VW wieder aus eigener Kraft fortbewegen. Das Ziel-Tor ist wieder frei und auch wir Turborostigen haben es geschafft. Zu diesem Zeitpunkt liegen – seit dem Start in Oberstaufen am 7. Mai – fast 8.000 gefahrene Kilometer hinter uns.

Die Kehlen sind staubig und ausgetrocknet. Ein kühles Zielankunftsbier, das haben wir uns jetzt verdient – Prost! Dann wird die Lage erkundet. Durch einen Gang aus trockenen Palmwedeln gelangt man in das Camp. Links sind gleich die sanitären Anlagen. Etwas weiter hinten die Schlafzelte. Rechts befinden sich Terrassen, ein Rondell für Aufführungen oder zum Tanzen, und das Essenszelt. Bei den Männern kommt schönes heißes Wasser aus der Dusche. Bei den Frauen ist einmal der Brausekopf abmontiert, und in der anderen fehlt der Knopf für das Warmwasser, sodass nur kaltes Wasser aus der Leitung kommt. Macht nichts. Hauptsache nass.

 

Frisch geduscht treffen wir uns im Essenszelt. Später geht es zur Siegerehrung, die Wilfried und sein OK-Team vornimmt. Zuvor sehen wir noch einen Film, ein Zusammenschnitt der Rallyehöhepunkte der vergangenen drei Wochen, den Manuel aus seinen und den Videos von Nadir zusammengeschnitten hat. Ja, es war eine ereignisreiche Tour mit vielen Eindrücken und Erfahrungen.

Den ersten Platz hat das Team „Sterne des Morgenlandes“ gewonnen. Teammitglied Joe Finsterle kommt auf dem ersten Preis in die Runde geritten, auf einem wahrhaftigen Kamel. Es ist Usus, dass die Gewinner ihren Hauptgewinn an eine Beduinenfamilie spenden.

 

Auch wir freuen uns über unseren Erfolg. Uta und Andreas, Phillip und Simon sowie Sigrid und Florian sind gesund und wohlbehalten im Ziel im Wadi Rum in Jordanien angekommen. Die drei Sterne Jupiter, Merkur und Venus ebenfalls. Das Ergebnis: Team turborostig erreicht einen tollen vierten Platz. (Alle Teams, die ihr Roadbook abgegeben haben und nicht auf dem Treppchen landeten, erreichten einen vierten Platz). Alle Autos und auch Motorräder der Rallyeteilnehmer verbleiben in Jordanien. Der Erlös aus deren Verkauf soll einem guten Zweck zukommen. Das offizielle Ende der Rallye ist allerdings erst übermorgen.

 

Da bemerkt Sigrid plötzlich, dass ihre blaue Tasche fehlt, sie kann das Ganze nicht genießen. Die Tasche mit meiner Fotokamera ist ihr im Essenszelt abhanden gekommen. Alle sind mittlerweile informiert. Keiner weiß etwas, keiner hat etwas gesehen. Eine Anzeige bei der Polizei bedeutet viele Umstände. Mit der gestohlenen Kamera fehlen uns leider auch Fotos und Videos der vergangenen Tage. Die anderen stoßen derweil auf den vierten Platz an. Die Vorfälle heute im Laufe des Tages trüben den Blick auf Jordanien. Sigrid und ich ziehen uns ins Zelt zum Schlafen zurück, die anderen Vier schlafen im Auto.