Tag 10

Auch heute Morgen können wir die Duschen und Toiletten im Hallenbad benutzen. Für uns ein Hauch von Luxus. Wer weiß, wann wir uns auf eine solche Gelegenheit wieder freuen dürfen.

 

Aufruf zum Start. Wir werden heute wieder von der Polizei eskortiert. Das heißt: auch diesmal dürfen wir rote Ampeln ignorieren und einfach über Kreuzungen brettern. Natürlich stets mit einem wachsamen Auge. Nur knappe zehn Minuten später ist unser erstes Ziel erreicht. Auf uns wartet ein Frühstück. Und was für eines. Da gehen uns die Augen über ob der Köstlichkeiten auf dem rund 20 Meter langem Buffett. Alles sehr lecker. Es gibt eine Ansprache des Bürgermeisters. Wilfried überreicht die offizielle Rallyetafel – Augen zwinkernd mit dem Hinweis, dass er mit dieser am Auto montierten Tafel bei zu schnellem Fahren kein Knöllchen von der örtlichen Trafik Polisi erhalten wird.

Des Bürgermeisters Wunsch ist es, dass die Rallye-Teilnehmer mit Hupkonzert im Konvoi durch Balikesir fahren. Dieser Aufforderung kommen die Teams gerne nach, wie bei jeder von der Polizei eskortierten Ortsdurchfahrt. Besonders Andreas fällt mit seiner flotten Fünfton-Melodie-Luftdruckfanfare auf. Manchmal lässt er sie auch im Wettstreit mit einer Kompressorfanfare eines anderen Teams ertönen, deren Melodie aber eher einschläfernd wirkt. Aber gerade dieser Gegensatz bringt uns immer wieder zum Schmunzeln. Die meisten Menschen am Straßenrand schauen neugierig auf unsere bunten Autos, viele winken uns auch zu. Am Ortsende scheren wir aus und setzen uns in Richtung Edremit ab.

Heute gibt es eine leichte Wolkendecke, in der blaue Himmelslöcher zu sehen sind, durch die die Sonne ihren Weg sucht. An den Straßenrändern blüht der Mohn, den wir hier in den unterschiedlichsten Farbnuancen entdecken, in weiß, orange, in einem hellen und einem dunklen, intensiven Rot. Immer wieder in der Stadt und auch außerhalb sehen wir Gruppen von Frauen, die mit ihren Handsicheln auf dem etwa drei Meter breiten begrünten Mittelstreifen das Gras schneiden.

Wir finden die Schule in Edremit fast auf Anhieb. Dort werden wir eine weitere Rallye-Aufgabe erfüllen. Jedes Team hat am Start in Oberstaufen einige Schulranzen eines namhaften Herstellers erhalten, mit denen vorrangig Erstklässler in der Türkei, in Israel und Jordanien ausgestattet werden. Uta und Andreas haben einen Schulranzen für ein türkisches Kind bekommen. Uta erfährt den Namen „ihres“ Kindes: Aica Bincit. Sie freut sich über die persönliche Gabe, über den Ranzen, den Inhalt und auch den Brief mit Bildern.

Ganz schön was los hier auf dem Schulhof. Einige Jungs spielen Ball mit OK-Mitgliedern, andere Kinder betrachten interessiert unsere Autos. Auch Sigrid und ich verteilen wieder einige unserer kleinen Gaben, die wir aus Backnang mitgenommen haben; Bälle und Frisbee-Scheiben, Malbücher und Buntstifte. Diese kleinen und auch große Gaben sind dank unserer Unterstützer und Sponsoren möglich.

In Zeytinli erleichtern wir die Bank um Türkische Lira. Der Besitzer des kleinen Lebensmittelladens ein Stück weiter freut sich über Umsatz: er verkauft eine größere Ration Efes (türkisches Bier) an unser Team. Wir machen noch einen Abstecher ans Marmarameer. Der kleine Junge auf dem Fahrrad freut sich sehr über die Fußballerpuppe, die Sigrid ihm schenkt. Auf der Rückfahrt durch den Ort überholen wir ein Ein-Pferde-Gespann, den eine Mutter mit ihrem Sohn lenkt.

Die kleine Straße, die wir an der Küste entlang fahren wollen, ist leider gesperrt. Aber es gibt später noch eine Möglichkeit, ans Meer zu kommen. An der Straße nach Bergama steht ein Wildschwein-Warnschild. Das hätten wir in Bulgarien gerne vor dem Crash sehen wollen. Die Hälfte der Strecke haben wir. Entlang der Straße wechseln sich Olivenhaine mit jungen Olivenbäumen ab mit Weinrebenfeldern. Im weiteren Verlauf sehen wir in der Ferne Schnee auf den Bergen. Über einen Pass mit 650 Meter Höhe fahren wir in den kleinen Ort Yenisehir.

Um 18.30 haben wir unser Ziel erreicht: Usak. Gleich am Ortsanfang wird ein großes Stadion neu gebaut. An einer roten Ampel treffen wir auf das OK-Team, an das wir uns gleich dranhängen und mit diesem eine kleine Extra-Runde durch die Nebenstraße der Stadt drehen und diese auf diesem Weg ein wenig kennenlernen. Dann geht’s zu einer großen Freizeitanlage, wo wir heute sozusagen „unsere Zelte aufschlagen“.

Simon hat einen Tipp bekommen, wo wir essen gehen können. Wir laufen die Hauptstraße entlang, bis wir linkerhand ein Lokal finden, das sich „mangalda“ nennt. Auf Türkisch und Englisch verständigen wir uns. Simon bestellt für uns alle Mixed Plates. Es schmeckt uns überaus gut. Unser mit 26 Jahren jüngstes Team-Mitglied (siehe auch: wir über uns) ordert noch einen Nachtisch, Künefe, den es sich lohnt zu probieren. Nach dem Abendessen schauen wir uns noch rasch die Fotos vom heutigen Tag an, beispielsweise das Pferde-Gespann mit Mutter und ihrem Sohn oder das Ehepaar mit Motorrad und Kriegsschiff sowie die drei Bauarbeiter am Marmarameer, die einen Holzsteg bauen.

 

Ich nutze die WLAN-Gelegenheit und bleibe noch anderthalb Stunden, während die anderen zum Übernachtungsplatz zurück gehen, um die Anmeldung für den Flug nach Israel zu bestätigen. Anscheinend liegt die Kopie von Simons Reisepass nicht vor. Hätte ich gewusst, was in der Türkei WLAN bedeutet, wäre ich mit den anderen mitgegangen.