Tag 9

Abfahrt kurz nach 9 Uhr vom Campingplatz. Nur wenige Meter gefahren, schon die erste Zwangspause. Aber die nehmen wir gerne in Kauf. Eine größere Schafherde kommt uns auf dem Camping-Zufahrtsweg entgegen. Ein willkommenes Fotomotiv. Nach wenigen Minuten haben wir wieder freie Fahrt.

 

Wieder zurück auf den Marktplatz. Wir sind gerade rechtzeitig noch zu den Ansprachen gekommen. Wilfried hat gerade gesprochen. Dann der Countdown. Der örtliche Bürgermeister zählt auf Türkisch von 10 auf 1 herunter. OK-Mitglieder schwenken schwarz-weiß-karierte Zieleinlauffahnen. Und dann geht’s durchs Tor. Heute machen wir Strecke. 375 Kilometer – von Haymana über Polatli und Eskisehir nach Bursa.

Gruppenfoto gemacht, Brötchen in die Hand gedrückt – Abfahrtsstempel brauchen wir heute keinen. Los geht’s auf den Weg nach Bursa. Auch für heute hat uns das OK eine Rallyeaufgabe für uns: Es gilt, den besten Bäcker in Bursa ausfindig zu machen. Aber nicht nur das. Wir sollen auch das Rezept für den Iskender Kebab besorgen, das wir später noch in irgendeiner Form benötigen werden, heißt es.

 

Weite Landschaft, nicht mehr so heiß wie gestern. Zum Glück müssen wir heute nicht so arg schwitzen auf dem Weg nach Eskisehir. Am Straßenrand entdecken wir immer wieder Bäume, die rot und weiß blühen. Wir verlassen den Ort. Es ist jetzt genau 12 Uhr. Die Landschaft hat sich inzwischen verändert, ist flacher geworden. Die Berge sind verschwunden. Die Sonne kommt inzwischen wieder hervor. Es hat 26 Grad. In Bursa kommen wir um 13.15 Uhr an. Wir haben auf der Strecke die ersten schneebedeckten Berge gesehen. Ziemlich viel Schnee liegt dort oben noch.

 

Der Kauf von Utas Reiseführer hat sich schon gelohnt. Für unsere heutige Aufgabe, die in Bursa zu erledigen ist, finden wir fast alles in diesem Buch: die Adresse des Bäckers und sogar ein Foto des Bäckerladens, in dem es den berühmten Iskender Kebab gibt. Also beschließen wir, weiterzufahren. Die zwei, drei Stunden, die wir uns wohl in Bursa aufhalten würden, haben wir so am Abend zur Verfügung. Und das für die Aufgabe benötigte Rezept des Iskender Kebabs schickt uns ein türkischer Kollege von Andreas.

 

„Der im 19. Jahrhundert in Bursa erstmals kreierte Kebab (Dönerfleisch auf geröstetem Fladenbrot, darauf Tomatensauce, zerlassene Butter und Joghurt) wird zwar überall in der Türkei angeboten, schmeckt aber tatsächlich nirgendwo besser als hier“, steht in dem Reiseführer. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass der Kebab in Bursa zwar gut, aber wohl nicht weltbewegend und ziemlich fettig gewesen sein soll, so Sebastian von Team 19. Das Bäckerhaus hat aber einen schönen grünen Garten, sagt er.

 

Die Zeit, die wir in Bursa gut gemacht haben, nutzen wir jetzt für einen Abstecher an einen See, an den Ulubat Gölü (Gölü = See). Dieser hat laut Karte die Ausmaße des Bodensee, so scheint es uns. In einem kleinen Örtchen begrüßt uns eine größere Gänsefamilie, deren Mitglieder sich im Wasser ausgiebig putzen.

Dann entdecken wir ein typisch türkisches Lokal direkt am Wasser, im dem einige Einheimische sitzen. Angesichts des Sonnenscheins entscheiden wir uns für einen Sitzplatz im Garten. Da wir zunächst etwas Probleme beim Bestellen haben, werden wir alle mit in die Küche gebeten. Dort zeigt uns die Köchin alle möglichen Fleischvarianten, die sie uns zubereiten könnte. In diesem Moment kommt auch ein Gast hinzu, der einige Jahre in Deutschland gelebt hat und uns so alles bestens übersetzen und erklären kann. Mit der Wahl einer gemischten Fleischplatte mit Salat und eingelegtem Kraut, Möhren und Gurken haben wir voll ins Schwarze getroffen.

Nach dem leckeren Mahl setzt sich der Chef wie selbstverständlich an unseren Tisch. Er ordert Cay (Tee) für alle und fragt uns auf recht verständlichem Englisch nach unseren Vornamen, unserer Herkunft und nach unserem Vorhaben. Als er Letzteres nach mehrmaligem Nachfragen offensichtlich auch versteht, schüttelt er mit dem Kopf, nickt aber dann auch zustimmend und mit Hochachtung. Dann beginnt er zu politisieren. Es ist bislang für uns das erste Mal, dass bei einem Gespräch mit türkischen Landsleuten ein politisches Thema angesprochen wird. Er sagt, dass er zwar die Deutschen mag, aber Merkel, die mag er nicht, sagt der Restaurantbesitzer. Und warum nicht? Sie mag die PKK, lautet die Antwort. Wir wollen diese Aussage nicht unkommentiert lassen, da wechselt aber mit einem weiteren, hinzukommenden Gast das Thema – zum Glück. Wir zahlen. Sigrid geht direkt noch einmal in die Küche, um der Köchin auch ein Trinkgeld zu geben. Die freut sich riesig und umarmt Sigrid sogar.

 

Vom See mit Storchenreservat geht’s weiter auf der D 200. Beim Tankstopp in Güllüce kann ich endlich ein paar Blog-Daten übermitteln. An der Tankstelle hat’s nämlich ein WLAN-Netz. Wieder ein Stück geschafft. Und wir wissen jetzt: An Tankstellen gibt’s nicht nur ein Netz (manchmal), sondern auch guten Bohnenkaffee.

Auf dem Weg zu unserem Abendquartier sehen wir auf den Feldern Bewässerungsanlagen. Auch auf einigen Mittelstreifen mit Rasen in größeren Orten sind Wassersprenkler zu sehen. Kurz vor 19 Uhr erreichen wir Balikesir. Doch den Platz, auf dem das Fahrerlager aufgebaut wird, finden wir nicht. Zunächst nicht. Doch unsere beherzte Befragung mehrerer Passanten führt schließlich zum Erfolg. Es sind sehr nette Verkehrspolizisten vor einer Kaserne, die uns schließlich den entscheidenden Tipp geben können. Erst ist es ein Beamter, dann sind’s zwei, dann drei und vier und schließlich noch eine Frau, die übersetzen kann. Am Ende riegeln insgesamt drei Uniformierte die viel befahrene Straße ab, damit wir gefahrlos wenden können.

 

Auch wenn wir jetzt den Weg kennen, wir fahren zuvor noch bei einer Reifen-Reparaturwerkstatt vorbei, um den Plattfuß-Reifen von Venus loszuwerden und auf die Felge einen unbeschädigten Mantel aufzuziehen. Jupiter führt zwei davon stets mit sich. Der Tausch ist in wenigen Minuten vollzogen. Und als wir von unserer Rallye berichten, noch eine weitere gute Nachricht: wir müssen nichts zahlen.

An unserem Ziel kommen wir gegen 20 Uhr an. Es ist ein Parkplatz vor einem Fitness-Center und einem Hallenbad. Und schon wieder eine gute Nachricht: wir können dort duschen. Und das rund um die Uhr. Erstmals seit Beginn in Oberstaufen gibt’s auch warmes Wasser. Herrlich! Wir genießen das Nass, als wenn es eine Belohnung wär‘. Schwimmen im Hallenbad ist leider nicht mehr möglich, da aus hygienischen Gründen abends stark gechlort wird.

Frisch gestylt und wieder wohl duftend sitzen wir danach im Stuhlkreis vor unseren Autos. Diesmal bleiben die Efes-Dosen geschlossen. Es gibt Wein zu später Stunde.