Tag 8

Sehr früh an diesem Morgen ist Uta wach. Uta ist eine Frühaufsteherin. Sie schnappt ihr Alphorn, läuft hoch zur Burg und spielt dem Fahrerlager, in dem sich noch wenig rührt, von oben einen Morgengruß. Wenig später kommt ein Tanklaster mit Wasser vorbei und versorgt die Teams mit dem frischen Nass. Kanister um Kanister wird aufgefüllt. Ein Team hat sogar eine mobile Dusche aufgebaut.

Start Punkt 10 Uhr. Wir bekommen den Stempel fürs Roadbook und zwei Blätter in die Hand gedrückt. Heute wird es ein entspannter Tag, heißt es. Nur 300 Kilometer sind hinter uns zu bringen. Das eine Blatt zeigt die Strecke rund um die Burg mit Offroadstrecke. Diese müssen wir leider auslassen, weil wir den Zugang nicht finden. Vermutlich war das die Linksabbiegung, und das Symbol auf der Karte, das wir nicht entziffern konnten, hat vielleicht darauf hingedeutet.

Dann geht es auf holprigen staubigen Sträßchen durch die Dörfer Yazir und Saricicek. In Saricicek filme ich unsere drei Sterne, wie sie durch das Dorf fahren. Kinder springen umher und sind begeistert von unseren bunten Autos. Wir nehmen die Chance war, wie bereits mehrfach während unserer Reise, und verteilen Bälle und Malbücher mit Buntstiften, Spielsachen und Gummibärchen. Dank unserer Unterstützer und Sponsoren sind wir damit reichlich ausgestattet. Eine Mutter bedankt sich sehr herzlich.

Die hügelige Landschaft erstrahlt in den unterschiedlichsten Grüntönen. Simon verschenkt Zigaretten an die Männer, die im Feld arbeiten. Einer davon kommt auf einem Esel daher geritten. Staubwolken hinter uns lassend suchen wir unseren Weg nach Ankara. Wir rätseln, wie es weitergeht, fahren inzwischen nach Kompass. Von Uta gibt es eine Kurzeinweisung: geradeaus heißt ileri auf Türkisch, links heißt sol und rechts sag. Die Gegend wird immer einsamer. Immer wieder gibt es weite Ausblicke ins Land. Wir fragen wieder jemanden, wo es nach Haymana geht. Der eine zeigt hierhin, der zweite, den wir fragen, schickt uns dorthin. Sigrid ist gespannt, wo dieser Weg wohl hinführen wird. Hin und wieder begegnen uns Menschen: hier ein Vater mit seinem Sohn, dort eine Frau, etwas weiter weg ein Mann.

 

Es ist sonnig und heiß, ein paar Wolken sind am blauen Himmel zu sehen. „Wir haben die anderen Teams alle abgehängt. Die Frage ist nur, ob wir vorne oder hinten dran sind“, witzelt Andreas über Funk. „Wir kommen Bogazkale näher“, ist Simon zu hören. Wir nähern uns einem See. Die Sonne brennt vom Himmel, es ist bereits kurz vor 13 Uhr. Ein Schild taucht auf: 5 Kilometer bis Bogazkale, 210 Kilometer bis Ankara. Ob wir wohl rechtzeitig zum Le-Mans-Start da sind?

Inzwischen sind es nur noch etwa 35 Kilometer bis Ankara und es ist gleich 15 Uhr. Für diese Zeit war der Le-Mans-Start angesagt. Ob sie wohl auf uns warten? Wir denken ja, weil uns auf der Strecke mehrere andere Teams begegnen, die ebenfalls zu spät sein werden. 15.15 Uhr: Wir haben Ankara erreicht. Der Hinweis Atapark auf dem Schild hört sich schon mal gut an. Es gibt ein altes und ein neues Hippodrom (ehemalige Pferderennbahn). Der Le-Mans-Start wird auf dem alten Platz stattfinden. Mit uns und nach uns kommen noch weitere Teams an. Uta legt sich gleich in die grüne Wiese.

Vorbereitung zum Start: Wilfried erklärt die Strecke, und vor allem, wir sollen keinen Unfall bauen, legt er uns eindringlich nahe. Der Spaß steht im Vordergrund. In der Formel 1 ist der Le-Mans-Start mit nur zwölf Fahrzeugen verboten, da zu gefährlich. Die AOR zieht ihn durch mit wesentlich mehr Fahrzeugen. Le-Mans-Start heißt: Alle Fahrzeuge stehen Seite an Seite, alle Fahrer und Beifahrer gegenüber, etwa in 50 Metern Entfernung. Fällt der Startschuss, laufen alle los zu ihren Autos, steigen ein und rasen los.

 

Der Countdown läuft. Losrennen – einsteigen – starten – losfahren. Alle stehen wieder. Ein Rallyefahrer ist wohl schon beim Rennen gestürzt. Zum Glück ist nichts weiter passiert. Zweite Aufstellung zum Start. Die Rallyefahrer geben alles. Beim Merkur haut ein Baum die Antenne vom Dach. Es macht allen riesigen Spaß. Manche, um nicht zu sagen: fast alle, sind schon ehrgeizig bei der Sache. Das Rennen ist eine Mischung aus Kartrennen und Boxauto, allerdings ohne Anboxen, und das mit alten Familienkutschen. Ein toller Rallye-Höhepunkt. Wir alle sind auf unsere GoPro-Videos gespannt.

17.45 Uhr fahren wir vom Platz. Jetzt heißt es, eine Tankstelle zu finden. Wir tanken und suchen den Weg nach Haymana. 18 Uhr: Die nächste Panne. Oje, der erste Reifen ist geplatzt: hinten rechts bei Venus. Phillip und Simon fahren weiter, um Grillgut für heute Abend einzukaufen. Reifenwechsel in Rekordzeit, dauert nur 15 Minuten. „Fast Formel 1“, witzelt Andreas.

Wir stoßen auf Phillip und Simon, die vorgefahren sind, um bei einem Lebensmittelmarkt einzukaufen. Zusammen machen wir uns auf den Weg nach Haymana. Oje, schon wieder leuchtet die Generator-Warnlampe bei Merkur auf. Zum Glück Fehlalarm. Es ist „nur“ die Motormanagement-Leuchte, die den Defekt der Lambda-Sonde anzeigt. Florian will wohl den Adrenalinspiegel aller in die Höhe treiben.

Ein ganzes Stück lang fahren wir durch eine Baustelle. Unsere Sterne im Staub bei untergehender Sonne – ein tolles Bild. Wir kommen in Haymana an. Treffpunkt ist am Marktplatz. Viele Menschen, viel Musik, da ist was los. Für zehn TL (TL = türkische Lira, nicht: Teelöffel) haben wir hier die Möglichkeit, ins Hamam zu gehen. Auch ein Thermalbad gibt es hier. Wir verschieben die Körperreinigung,  bis wir gegrillt haben.

 

Ich frage ein OK-Mitglied wegen meines Problems mit der türkischen Telefonkarte. Sofort sind drei bis vier Mann vom OK zur Stelle, wollen helfen, rufen den Telefonanbieter Turkcell an. Es stellt sich heraus, dass das Paket nur für innertürkische Gespräche gilt und Internet noch nicht freigeschaltet ist. Mit Polizeieskorte im Konvoi fahren die anderen Vier schon mal zum sieben Kilometer entfernten Campingplatz voraus. Sigrid und ich wollen mit dem nächsten Konvoi, der für 20 Minuten später angekündigt wird, nachkommen. Wir warten und warten, aus den 20 werden 40 Minuten. Endlich geht’s los.

Wir fahren aus dem Ort hinaus in Richtung Polatli zum Basdegirmen Piknik Alani, dem Campingplatz. Es ist schon dunkel. Gabi und Sebastian von Team 19 weisen uns den Weg zu unserem Team. Wir kommen gerade richtig; die Hähnchenschenkel sind fertig. Noch ein Bier dazu, zum Abschluss einen Raki. Das Hamam verschieben wir auf morgen Früh. Floh, der Sohn von Wilfried, und noch jemand vom OK kommen vorbei, fragen wie’s geht. Es stellt sich heraus, dass dieser Jemand Jens vom OK ist, der unsere Fahrzeugpapiere aus Deutschland mitgebracht hat. Er ist vor 24 Stunden losgefahren. Ich frage in die Runde, welche Funktion wohl Nadir hat. Floh weiß das selbst nicht so genau. Aber ein Anruf Nadirs genügt und alles läuft wie am Schnürchen. Floh erzählt auch, dass die Motorradeskorte der Polizei durch Istanbul dieselbe ist, mit der auch Erdogan eskortiert wird, wenn er in der Stadt ist.