Tag 5

Irgendwo in einem feinen Stadtteil Istanbuls sind wir am Vorabend gelandet. Haben einen Parkplatz an einer Wohnstraße gefunden. Es ist die Ardic caddesi-Straße, wie wir etwas später feststellen. Die Füße aus dem Auto gestreckt. Kaum zu glauben, es ist warm, blauer Himmel, Sonnenschein. Wieder das übliche morgendliche Zahnputz- und Anziehprozedere. Bauarbeiter, die auf der Baustelle gegenüber zugange sind, betrachten neugierig unser mittlerweile etwas demoliertes Auto.

Wir machen uns auf den Weg zum Treffpunkt Taksim-Pera, ein Platz mitten im Herzen Istanbuls. Wir fragen einen Fahrschullehrer, der mit einem Fahrschüler Einparken übt, nach dem Weg. Was wir nicht wussten: Wir sind schon auf der anderen Seite des Goldenen Horns. Den Hinweisschildern Hasköy, Kasimpasa, Kulaksiz und Tepebasi entlang finden wir bis zum Taksim-Platz. Und jetzt? Wir fragen einen Taxifahrer. Eine der nächsten Straßen nach links, erklärt er auf Türkisch. Jedenfalls verstehen wir es so. Wir fahren nach links, dann wieder rechts und… Plötzlich sehen wir einen großen Mercedes-Stern und das Rallye-Logo auf einem aufgeblasenen Torbogen. Es ist tatsächlich der Eingang des Lagers der Team-Fahrzeuge, das wir letztlich mit etwas Glück ausfindig gemacht haben.

Dann begrüßen wir Phillip und Simon, die uns auf ihrem Weg in die Stadt über den Weg laufen. Juhu – wir haben es geschafft! Simon kocht uns einen Kaffee und wir kommen aus dem Erzählen nicht mehr heraus. Grenzübertritte, Wildschweinschaden – da gab es reichlich zu berichten. Wenig später erhalten wir von einem Mitglied des Organisationskomitees den Tipp, den Schaden wenigstens grob richten zu lassen. Denn mit dem demolierten Licht würden wir so wohl nicht nach Israel einreisen dürfen. Carlos vom Team Fehlzündung bietet uns seine Magnetlampe an. Aber ob das reichen würde?

Auf der Toilette des benachbarten Restaurants machen wir uns notdürftig frisch. Ich versuche über WLAN meine Berichte an die Zeitung zu senden. Dies misslingt, da das Netz zusammenbricht. Dann also per Hotspot, den Andreas wieder zur Verfügung stellt. Vielen Dank! So schwierig hatte ich mir das Übertragen der Daten nicht vorgestellt.

Heute steht das Fußballspiel zwischen einer Auswahl der Rallyeteams und der türkischen Mannschaft an, die aus aktuellen und ehemaligen Nationalspielern bestehen wird. Quer durch Istanbul müssen wir fahren. Unser Ziel ist das Trainingslager der türkischen Fußballnationalmannschaft, in dem auch Spitzentrainer ausgebildet werden. Die Anlage befindet sich im asiatischen Teil der Stadt. Etliche Kilometer entfernt. Und rund 120 Rallyefahrzeuge müssen dort hin, durch den dichten Verkehr Istanbuls.

Welch ein Luxus: Wir starten im Konvoi mit Polizeieskorte. Rote Ampeln dürfen wir ignorieren. Immer wieder tauchen Polizeimotorräder auf, die danach schauen, ob alle mitkommen. Am Vordermann dran bleiben heißt es, Stoßstange an Stoßstange, nur den Anschluss nicht verlieren. Trotzdem: Die Kette bricht immer weiter auseinander, irgendwann haben wir Jupiter und Venus hinter uns verloren.

Im stockenden Verkehr leitet uns die Polizei sogar auf die Fahrbahn, die sonst der Straßenbahn vorbehalten ist. Nach einer halben Stunde Fahrt geht’s durch schmale Dorfstraßen steil hinunter in einen kleinen Ort, der an ein kleines verschlafenes italienisches Fischerdörfchen erinnert. Doch ganz unten ist plötzlich Sackgasse. Im Hafen geht’s nicht weiter. Es gibt kaum Platz zum Wenden, aber irgendwie kriegen wir’s hin. Zurück geht’s an winkenden Männern, Frauen und Kindern vorbei. Kreuz und quer, links und rechts, hin und her. Schließlich taucht sie ganz plötzlich vor uns auf: die dritte Bosporus-Brücke. Wow, dieser Anblick ist wahnsinnig beeindruckend. Ein imposantes, gigantisches Bauwerk. Ein erhebendes Gefühl, darüber hinweg zu schweben, allerdings stets noch mit Fahrbahnkontakt.

Jetzt sind wir im asiatischen Teil der Stadt Istanbul. Vor einer Mautstelle warten wir auf etliche, noch fehlende Teams. Wir geben Interviews, fotografieren und tauschen uns mit anderen Rallye-Teilnehmern aus. Einige wenige kommen während der einstündigen Wartezeit noch hinzu. Dann beschließt das OK, weiter zu fahren.

Nur einen knappen Kilometer weiter taucht schon das Trainingslager der türkischen Fußballverbands (TFF) auf. Eine imposante Anlage. Und gegenüber das Rallye-Fahrerlager, das bereits mehr als die Hälfte gefüllt ist.

 

Anscheinend gab es auch noch einen anderen Weg hier her. Phillip, Simon, Uta und Andreas sind schon seit anderthalb Stunden da und warten auf uns. Haben uns einen Platz frei gehalten, sodass wir nebeneinander stehen können.

Wir sind Gast des türkischen Fußballverbands. Die Anlage ist gleichzeitig das Trainingslager für die Nationalmannschaft und Ausbildungsstätte von Spitzentrainern. Auf dem Vereinsgelände ist ein Buffet für uns hergerichtet. Es gibt Döner, Fladenbrot, Pommes und als Nachtisch Pudding oder Milchreis. Nach der leckeren Stärkung wird die Begegnung zwischen der Auswahl der Rallyeteams und der türkischen Mannschaft an, die aus aktuellen und ehemaligen Nationalspielern besteht, angepfiffen.

Nach einem Halbzeitstand von 1:0 endet das Spiel mit 4:0 für die Allgäu-Orient-Kicker. Böse Zungen behaupten, die türkischen Gastgeber hätten „uns“ gewinnen lassen. Auch türkische Medien berichten über das Ereignis.

Im Anschluss erfüllen alle Teams eine der Rallyeaufgaben und übergeben unterschriebene Bälle und Trikots ihrer Heimatfußballvereine. Ich überreiche die Spende der TSG Backnang, die uns Spielführer Ozam Biyik in Backnang übergeben hatte (siehe Video), an TFF-Vorstand Şeref Yalcin (im Foto rechts), Vorstand Mete Düren und zweiten Geschäftsführer Cengiz Zülfikaroglu.

 

Unser Team macht sich am Abend noch auf den Weg zum Fußballplatz, um am Zaun das mitgebrachte Widmungsschild anzubringen. Duschen können wir leider nicht mehr, die Duschen sind schon abgeschlossen. Den Abend lassen wir im Fahrerlager ausklingen. In größerer Runde holen wir unsere Musikinstrumente hervor und spielen Bruder Jakob. Das gehört zur Musikaufgabe.