Tag 2

Die Rallye hat’s in sich. Zum Schreiben komm ich kaum. Und zum Abschicken meiner Texte, Fotos und Videos schon gar nicht. Der Grund: wir sind nur noch auf Achse, müssen Kilometer schrubben, die wir wegen der Panne von Merkur noch nicht fahren konnten. Wir machen gerade Strecke auf Teufel komm raus, und das seitdem wir von der Werkstatt in Peiting losgefahren sind.

Aber der Reihe nach: Die Nacht verbrachten wir in unseren Sternen auf dem Parkplatz des Mercedes-Autohauses Resch. Leider hat der Regen nicht aufgehört. So wurden unsere Gegenstände, die wir auslagern mussten, um Platz in unseren Betten zu schaffen, nass. Schon um 6.30 Uhr platzt unsere erste Hoffnung , noch an diesem Tag die Fahrt fortsetzen zu können. Ein Schrotthändler, dem wir am Sonntagabend unser Problem auf’s Band gesprochen hatten, meldet sich zu so früher Stunde telefonisch, um uns mitzuteilen, dass er uns nicht helfen kann.

Auch im Autohaus selbst gibt es kein Ersatzteil für uns. Serviceberater Albert  Jehle will uns in unserer Situation nicht hängen lassen und setzt alle Hebel in Bewegung, dass wir rechtzeitig durchstarten können. Zunächst scheint  es so, dass wir bis 14 Uhr warten müssen, bis ein Daimler-Ersatzteil per Express geliefert wird. Dann der Glücksfall: ein Autoverwerter 40 Kilometer entfernt, den Andreas aufgetan hatte, sagt am Telefon, dass er eine Lichtmaschine im Lager hat, die passen könnte. Wir packen unsere bereits ausgebaute, defekte Lima ein und holen das zwar gebrauchte, aber von uns so begehrte Ersatzteil innerhalb von knapp anderthalb Stunden ab.

Weitere 45 Minuten später ist die Ersatz-Lima eingebaut und wir sind nach einem Abschiedsfoto startbereit. Und dann heißt es für unsere Sterne pfeilschnell wie ein Komet Zeit und Kilometer aufzuholen. Allerdings unter Einhaltung aller Regeln, das heißt keine Autobahn, kein Navi, keine Geschwindigkeitsüberschreitung. Im Hinterkopf aber stets unsere Aufgaben, die wir auf unserem Weg nach Jordanien auch noch erfüllen müssen, beispielsweise: Wir sollen Bieraufkleber unterwegs auf interessante und ungewöhnliche Orte kleben, im Motorraum während der Fahrt eine Speise garen und ein Lied einstudieren.

Um Zeit zu sparen, verzichten wir auf ein ordentliches Frühstück. Zu unserer Freude spendierte das Autohaus für jeden einen leckeren Kaffee. Jetzt, bereits auf Achse, vespern wir turborostigen Rallyefahrer in unseren Autos die Brötchen und Landjäger, die Uta am Morgen besorgt hatte. Und zwar in großen Einheiten, denn sie verteilte an jedes Team eine ganze Tagesration. Unser Ziel ist, sämtliche Mahlzeiten an diesem Tag während der Fahrt einzunehmen.

 

Es geht immer noch bei Dauerregen Richtung Salzburg. Seit der Abfahrt in Oberstaufen wechseln wir nicht nur die Fahrer innerhalb der Teams, sondern auch die Reihenfolge der Fahrzeuge. Mal ist Venus vorne, mal führt Merkur die Gruppe an, und mal gibt Jupiter den Ton an. Folglich wechseln wir uns auch beim Kartenlesen ab. Aber es hat sich bei uns in der Gruppe noch nicht der Navigationscrack herauskristallisiert.

 

Erfreulich auch, dass sich die unfreiwillige Pause, verursacht durch unseren Merkur, der Stimmung keinen Abbruch tat. Im Gegenteil, wir suchen nach Vorteilen, die uns dieser Zwangsaufenthalt in Peiting bringen könnte, und finden diese auch: „Jetzt rollen wir das Feld von hinten auf“, feuern wir uns gegenseitig an und sagen uns, die letzten werden die Ersten sein.

Die Grenze nach Österreich erreichen wir um 14.40 bei Kilometer 203. Wir fahren an Bad Goisern vorbei, dem Ort aus dem Hubert von Goisern stammt. Wir denken an seine Liedzeilen „Höarst es net, wia dia Zeit vergeht“. So haben wir sie jedenfalls in Erinnerung. Im Radio auf Ö3 läuft aber gerade kein Goisern, sondern die beiden Titel von Fehlfarben Wohin und „Es geht voran“.